Der Bien

ein komplexes Wesen

Die Begriffe „Bienenvolk“ oder „Bienenstock“ sind in der breiten Masse wohl bekannt.  Wenn man von „der Bien“ spricht, gibt es oft schon etwas große Augen. Doch wäre das die korrekte Bezeichnung für dieses Sammelsurium an den in der Gemeinschaft lebenden Insekten.  

In diesem Beitrag will ich euch dieses komplexe Wesen und die Aufgaben der einzelnen Biene näher bringen.

Der Bienenstock und seine Königin

steht man im Sommer vor einer Beute, hört man aus dem Stock nur geschäftiges Treiben – auch in der Nacht kann dieses  Brummen schon sehr beeindrucken. Mir kam da die pulsierende Metropole New York in den Sinn als ich mal Nachts am Bienenstock vorbei kam und das laute Summen aus dem Stockinneren hörte. Auch dieser Superorganismus schläft nie wie man es der Stadt New York nach sagt. Die einzelne Biene jedoch schon – wie der Mensch zwischen 7 und 8 Stunden am Tag.

Macht man als Imkerin den Stock auf, ist es zu aller erst einfach nur beeindruckend – diese Emsigkeit, diese Organisation, die Sauberkeit und das bunte Treiben. Und vor allem der Duft! Ein Gemisch aus süßem Nektar, blumigen Pollen und herben Propolis. Ich würde am liebsten nur da stehen und den Duft des Stockes inhalieren. Nimmt man dann ein Rähmchen raus, ist man gleich wieder beeindruckt – Wabe an Wabe mit präziser Genauigkeit gebaut. Eigentlich ein sehr filigranes Konstrukt, das aber unter Umständen mehrere Kilogramm an Honig oder Brut tragen kann. Eine genaue Einteilung in Brutwaben und den angrenzenden Futterwaben, damit die Biene, die die Larven versorgt keinen weiten Weg hat. Eine solche Präzision und Organisation ist nur als ein Organismus möglich – oder herrscht hier doch eine Monarchie? Oder gar eine Demokratie?

Königin ohne Krone und Zepter
Im Volksmund spricht man gerne von der Bienenkönigin und der Laie hat dann schnell das Bild einer strengen Monarchie im Kopf. So wie die Ordnung im Stock funktioniert, könnte man auch glauben, dass die Königin hier mit strengen Regiment herrscht. Aber das ist schon mal ein großer Irrglaube. Was die Ordnung im Stock, das Bauwerk etc. angeht, hat die Königin nicht einmal den Hauch einer Idee, noch die Möglichkeit hier irgendwie auf ihre Arbeiterinnen einzuwirken. Es ist vielmehr umgekehrt – ihr Hofstaat, der in der Regel aus 2-3 Wochen alten Arbeiterinnen im Sommer besteht, scheucht sie über die Waben und drängt sie durch das dauernde füttern von Gelee Royal zum Eier legen. Als nicht gerade, das Bild, was man als Laie im Kopf hat, wenn man den Begriff „Königin“ hört. Die treffendere Bezeichnung wäre wohl „Eierlegsklavin Nummer 1„. Daher sprechen die Imker auch nicht von einer Königin sondern nennen sie „Weisel„.

Das einzige was die Königin macht, damit sie eben von ihren Arbeiterinnen gefüttert wird, sie verströmt sofort nach dem Schlüpfen ein Pheromon, das die Arbeiterinnen besänftigt und „gefügig“ macht. Man könnte fast sagen auch abhängig macht, denn ist diese Pheromon weg, werden sie unruhig und zeigen regelrechte Entzugserscheinungen. Weiters veranlasst dieses Pheromon auch, dass keine der Arbeiterinnen, die ja auch Eierlegen könnten, auf die Idee kommt Eier zu legen.

Die "Karriere-Leiter" einer Sommer-Biene

Nach 21 Tagen in der Zelle schlüpft eine junge Biene und ihre erste Aufgabe in ihrem noch sehr jungen Leben ist Putzen – ihre Zelle Putzen, dann andere die schmutzig sind oder sich selbst. Hat sie gerade nichts zum Putzen ist sie für das Wärmen der Brut zuständig. 

Die nächste Stufe ihrer Karrieretreppe ist das füttern der Brut. Hier darf sie vom angrenzenden eingelagerten Futter – in der Imkerei auch Futterkranz genannt – Futter holen, aufbereiten und den Maden verfüttern. Je nachdem in welchem Alter die Made ist – in den ersten 3 Tagen bekommen alle Gelee Royal. Gelee Royal wird von den Kopfdrüsen der Ammenbiene produziert. Ihre nächste Aufgabe ist es, den ankommenden Flugbienen den Nektar abnehmen und diesen an den Platz verstauen, wo er hingehört. Das ist die Aufgabe in ihrer 2. Lebenswoche. Mit Ende der zweiten ist sie wiederum zum Putzen und Pollenstampfen eingeteilt. Hier wird aus den Blütenpollen durch einen Fermentationsprozess das wertvolle Bienenbrot, das die Hauptnahrung der Arbeiterinnenbrut darstellt, erzeugt. Frische Pollen sind an und für sich sehr schlecht haltbar – als Imker muss man täglich die Pollentassen entleeren und diese gleich einfrieren, weil sie sehr rasch zu schimmeln beginnen. Werden sie von den Bienen zu Perga wie das Bienenbrot in der Fachsprache heißt verarbeitet, schimmeln sie nicht mehr.

Am Anfang der 3. Lebenswoche wird die Arbeiterin zur Baumeisterin. Hier wird für den Wabenbau kräftig Wachs geschwitzt. Neubau, Ausbesserungen wenn der Imker die Finger wo drinnen hatte, Brut und Honig verdeckeln – in so einem Stock gibt es immer was zu tun. Beachtenswert ist, dass dieses nicht mal 3 Wochen alte Tier bis zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Tageslicht gesehen hatte. Sie ist nur in dem dunklen Bienenstock herum gekrabbelt und hat die ihr angeborenen Aufgaben erledigt.  Aber gegen Ende der 3.Lebenswoche gehts los. Sich auf den Stock einfliegen und Wache stehen. Erst zu Beginn dieser Lebensphase ist  der Giftstachel der Biene fertig entwickelt. Eine Stockbiene die sich um die Babys kümmert, benötigt keinen Stachel. Dafür gibt es die Wächterinnen die am Eingang aufpassen und sie vor Feinde schützen. 

Haben die Bienen sich eingeflogen gehts raus in die große Freiheit. Glaubt man. In Wirklichkeit heißt es sammeln, sammeln, sammeln. Eine Sommerbiene trägt in den restlichen 3 Wochen ihres kurzen Lebens Pollen und Nektar ein. In dieser kurzen Zeit sammelt die Biene einen Teelöffel Honig. Und dann bricht sie zu ihrer letzten Reise auf, von der sie nicht mehr zurück zum Stock kommt.

Wie es den Winter-Bienen ergeht, lest ihr im nächsten Beitrag „Was machen Bienen im Winter“.

Der Superorganismus

Was macht jetzt das Bienenvolk zu einem Superorganismus? Es ist diese Grundgesamtheit aller Individuen, die durch ihre Selbstorganisation wie ein Zahnrad in einem komplexen Uhrwerk funktionieren. Es gibt keine absolutistisch herrschende Königin. Es gibt auch keine Demokratie in der jeder die Mehrheitsbeschlüsse akzeptieren muss und damit oft auf Kompromisse eingehen muss um ein Zusammenleben zu ermöglichen.
Die Biene nagt sich aus ihrer verdeckelten Zelle aus und sofort fängt ihr Programm zum Laufen an, was sie zu tun hat. Sie muss nicht die Nachbarin fragen, sie wartet nicht auf Befehl oder Genehmigung von oben, sondern sie macht einfach. Selbiges Verhalten kennt man auch von anderen sozial-lebenden Insekten wie den Ameisen.  Jedes Tier erfüllt seine ihm angeborene Arbeit immer mit dem Ziel, die Zukunft der Gemeinschaft zu sichern.